Manchmal kaufe ich Bücher, die dann des Lesens harren, sielen sich im Regal neben meinem Nachttisch, stauben langsam ein. Ich kann mich lange nicht durchringen, sie zu lesen. Meist sind es in irgendeiner Form Gesellschaft/Politik betreffende. „Geld“ von Marlene Engelhorn ist das passiert; Wann ich mich zur Reichsbürgererfahrung von Tobias Ginsburg durchringen kann, weiß ich nicht. Für Abends, so als Gute-Nacht-Lektüre wird das eher nicht taugen. Aber wann sonst?

Romanen passiert das bei mir aber auch, ich prokrastiniere die einfach, bis nur anstrengenderes auf dem Nachttisch wartet. Und weil ich jetzt nicht „Geld“ zuende lesen will oder „Reise ins Reich“ anfangen, lese ich „Die drei Sonnen“ von Cixin Liu: Hab ich in einem Anfall von „Oh, interessant rezensiert“ gekauft; Gleich alle drei Bände der Trisolaris-Trilogie. Tja.

Jetzt hab ich mit dem ersten Band begonnen und weiß gerade nicht, ob mich die Geschichte genug fasziniert oder ob mich die Figuren zu sehr abschrecken. Ich verstehe den Start aus der Kulturrevolution, kann den Gefühlsbruch der Personen nachvollziehen, bzw. das Fehlen von Gefühlen. Nun ist aber die nächste Hauptfigur eingeführt – ohne den Kulturrevolutions-Hintergrund – und die ist genauso hölzern und in sich gekehrt. Muss ich mir den Hintergrund denken, voraussetzen, dass es ähnlich wie bei der ersten Hauptfigur ist? Ist das das im Hintergrund schwebende Setting aller Figuren? Muss ich hier auf den Zustand mehrerer Generationen dieser, der chinesischen Gesellschaft schließen? Oder fehlt hier wirklich etwas und der Autor konnte schlicht keine Figurentiefe auf emotionaler Ebene erzeugen? Kann ich einfach nur nicht lesen, was zwischen den Zeilen steht?

Heute Morgen ist mir dann etwas Böses dazu eingefallen. Kennt ihr noch die Trompeter-Bücher aus DDR-Zeiten? Wir mussten damals den „Zauberer Faulebaul“ lesen. Indoktrination zum sozialistischen, produktiven, nützlichen, Gesellschaftsrädchen vom Feinsten. Das war bei uns Unterrichtslektüre. Als Kind hab ich wirklich gerne und viel gelesen. Aber das Ding hab ich nicht geschafft. Die paar Seiten, die wir als Hausaufgabe lesen mussten: Ich hab’s nie gemacht; Beim „Zauberer Faulebaul“ fast schon Ironie. Vor nicht allzu langem hab ich das Buch nochmal gelesen. Mit dem heutigen Blick könnte man drüber Lachen, wenn man außer Acht lässt, wie hier Indoktrination betrieben wurde. Ziemlich plump, aber vielleicht hats bei Kindern funktioniert? Bewusst war mir das damals sicher eher nicht. Ich hab’s nur gehasst, gezwungen zu werden, etwas bestimmtes zu lesen, und zwar jetzt und gleich. Vielleicht hat mich irgendwas an der Geschichte gestört, weil’s einen Bezug zu mir hatte (lernt nur, was ihn interessiert).

Die Figuren in „Die drei Sonnen“ kommen mir so vor, als hätten die „Trompeter-Bücher“ bei ihnen funktioniert. Und ich weiß nicht, ob das Absicht ist. Für ein Defizit des Autors ist es fast zu plakativ, für Absicht dagegen beinahe unerträglich. Ich weiß nicht, ob die Bücher von mir als ungelesen frei gelassen werden. Passieren könnt’s.

(swg)

Wenn einem das Leben zu viele Baustellen aufmacht, schlägt es irgendwann über einem zusammen. Bevor mir das passiert, ich untergehe trotz strampeln, versuche ich gerade radikal-pragmatisch abzuräumen, was irgendwie geht. Einfach entledigen, fast egal wie. Und vor allem nichts neues aufmachen. Gestern hat das mit einer solchen Baustelle geklappt: Der Duc ist weg. Verkauft. Abgeräumt.

Anfang 2024 war ich beim Caravan-Service. Ich wollte eine Stelle am Aufbau instand setzen lassen und die Truma Gasheizung mit Boiler sollte woanders verbaut werden. Die Stelle am Aufbau stellte sich als kapitaler Wasserschaden im gesamten Heckbereich bis vor zu den Radhäusern heraus. Trotz des horrenden Kostenvoranschlags wollte ich den eigentlich beheben lassen. Das Bad auch fertig machen und vielleicht den Duc noch nächsten Sommer nutzen?! Danach wäre er allerdings definitiv zu klein für uns: Fünf Sitzplätze mit Gurt hat er zwar, aber nur vier reguläre Schlafplätze. Für mehr müsste man die Dinette jeden Abend umbauen: Eigentlich Nö! Vollkommen unpraktisch und nur mit Stress verbunden.

Und was, wenn bei der Reparatur noch mehr offenbar würde? Noch mehr Geld reingebuttert werden müsste? Das bekäme ich in keinem Fall wieder rein, teurer als ein Totalverlust. Montag wäre der Termin zum Reparaturbeginn gewesen; Ich konnt‘ nicht mehr schlafen. Kurzerhand hab ich ihn bei Kleinanzeigen reingestellt. Kalkuliert hab ich, was ich im guten Fall (Reparatur bleibt im veranschlagten Kostenrahmen) bei einem Verkauf in brauchbarem Zustand herausbekommen könnte. Das war Sonntag Vormittag. Mich hat eine unglaubliche Tsunami-Welle von Anfragen überrollt, schon Sonntag Nachmittag hab ich aufgegeben überhaupt zu antworten; Damit hab ich überhaupt nicht gerechnet! Es war der Irrsinn schlechthin. Bis Montag Mittag waren es über 200 Anfragen.

Hab ich zu billig reingestellt? Wohl kaum. Ich kenne die Kalkulation und wer da glaubte ein Wahnsinns-Schnäppchen im Visier zu haben: Holzweg!! Drei Viertel der Anfragen konnte ich getrost als ‚unseriös‘ abkanzeln. Einen der ersten Anfrager mit guter Profil-Bewertung hab ich angeschrieben. Montag Abend kam er, 600 km Anfahrt! Na, mir egal. Wir sind uns einig geworden.

Der Duc ist weg. Und so schön alle Reisen und Urlaube mit ihm waren: Im Gegensatz zu Maria weine ich im keine Träne nach. Die ganze Arbeit da drin, die die noch anstünde: keine Zeit und alles Stress. Die Erinnerungen bleiben, der Rest ist für mich den Weg alles Irdischen gegangen. Vor allem bin ich eine Sorge los. Ich muss kein Geld, keine Zeit und keine Nerven mehr investieren. Besitz ist Ballast. Weniger macht(’s) leichter. Selbst den Stellplatz habe ich gestern noch gekündigt. Diese Episode ist zu Ende. Der Chevy ist der Nächste auf der Liste.

(swg)

Mikas Eingewöhnung in der Kita hat gut geklappt, er fühlt sich ganz offensichtlich wohl da. Er marschiert fröhlich durch Eingangstor und -tür und ist eher ungeduldig beim Umziehen. Gleich gibt’s nämlich Frühstück – denkt er. Jetzt, wo Maria und ich wieder arbeiten gehen, gebe ich ihn deutlich früher ab: Zwischen viertel und halb acht. Die Frühbetreuung findet gemischt mit dem Kindergarten statt, dadurch ist keine seiner Erzieherinnen da; Frühstück gibt’s erst gegen acht. Das ist so der einzige Punkt, der ihm missfällt: Mika steht jetzt wieder sehr lange zögernd an der Zimmertür. Wenn ich ihn dann doch über die Schwelle schiebe, am besten wenn gerade noch ein Kind abgegeben wird, verzieht er sein kleines Gesichtchen. Wirklich lange ist er aber nicht betrübt, weint wohl auch nicht. Sagt man mir jedenfalls beim Abholen.

Eigentlich holt Maria Mika nachmittags ab, heute aber nicht. Die beiden Großen brauchen noch Begleitung zu ihrem Parkour-Kurs; Der findet jetzt Mittwochs und oben in Gompitz statt. Damit ist montags Zeit für Hobby-Horsing frei geworden, das andere Steckenpferd meiner beiden Töchter. Was am wichtigsten dabei ist: Alina trifft ihre allerbeste Kindergarten-und-immer-noch-Freundin wieder. Die geht seit dem Kindergarten auf eine andere Schule, aber das Band ist halt nie zerrissen. Jedenfalls sind Hin- und Rückweg zum Parkour mit den Öffis nicht so trivial. Und weil Maria also die Begleitung gibt, hole ich Mika aus der Kita ab.

Zusammen mit dem Kindersitz und dem Obst-und-Gemüse-Einkauf vom Mittwochs-Markt ist das auf dem Fahrrad schon eine kleine Herausforderung. Die beiden Taschen vorn am Lowrider wiegen zusammen 14 Kilo; Ich hab Bammel, dass da eine Schraube aus der Gabel reißt. Ganz abgesehen davon, dass sich das jetzt schon recht beschissen lenkt: Hinten sitzt ja noch Mika in seinem Römer. Wenn der noch aus lauter Freude rumhampelt, dann schlingere ich wie besoffen und brauch die ganze Straße. Heute geht’s aber, mit etwas Umsicht und langsamer. So weit ist der Heimweg nicht.

Im nieseligen Kackwetter des heutigen Mittwoch zieht es mich eigentlich in die Wohnung. Auf rumsitzen am Sandkasten im Hof hab ich keinen Bock. Lediglich mein Vogelhaus geh ich kontrollieren. Vor zwei Tagen hab ich zuletzt gefüllt, naja, vielleicht ein Viertel fehlt: Mika nimmt mir den Becher aus der Hand und schöpft selber Körner aus dem Eimer in den von mir gehaltenen Trichter. Die Körner rascheln in dem Milchkarton hinunter. Viel braucht’s ja nicht. Man hört inzwischen ein paar Vögel krakeelen, die große Spatzenschar fehlt aber immer noch.

Für mehr interessiert sich auch Mika heute nicht im Hof, zum Glück. Aber er will vorne aus dem Treppenhaus wieder raus. Naja, meinetwegen. Recht zielsicher schlägt er den Weg Richtung Einkaufen ein. Zu spät fällt mir ein, dass ich mein Portemonnaie in den Fahrradtaschen vorm Aufzug gelassen habe. Und die ein Euro zwanzig in meiner Hosentasche werden nicht weit reichen. Beim Bäcker würde ich damit schon abblitzen.

Mika nimmt derweil jeden Poller mit und balanciert auf jeder Einfassung bis zum Konsum. Dort schnappt er sich einen Kinder-Einkaufswagen, bedeutet mir, ich soll da mal oben am Griff mit festhalten; Dann ziehen wir los. Einkaufen. Nach ein bisschen wahllosem Regale-Räubern entscheidet er sich für Pflaumen. Testweise leg ich eine auf die Kontroll-Waage: Dafür wird’s Hosentaschengeld reichen. Das man erst bezahlen muss, hat Mika noch nicht so verinnerlicht. aber auf dem Arm sitzend kann er mit mir nur an der Kasse warten. Wozu die Pflaume da auf dem schwarzen Band liegt, ist ihm scheint’s ein Rätsel. Neunundvierzig Cent später gehen wir zur Bank im Eingangsbereich. Dort sitzen wir dann, er beinebaumelnd, und essen die Pflaume. Also ich achtel sie mit dem Fingernagel und er katscht das Fruchtfleisch von der Schale, den Rest krieg ich zurück. Eigentlich würde er noch eine zweite Pflaume essen, draußen weiter spazieren ist aber auch ok.

Im Niesel spazieren wir einmal ums „Räcknitzforum“ herum. Als das Geschäfts- und Bürogebäude noch „Paradiesgarten“ hieß, war das eine schamlose Übertreibung. Der neue Name nähert sich der 90er-Jahre-Hässlichkeit etwas besser an. Ist trotzdem verschwendeter Beton. Vieles steht leer, weil einerseits die Mietpreise absurd hoch liegen und andererseits das Charme einer angehübschten Baracke durchs innere weht. Es ist hoffnungslos.

An der Straßenbahnhaltestelle wendet Mika dem Räcknitzforum verdienter Maßen den Rücken zu. Er will zu den Hochhäusern: Zu dem Wohngebiet führt eine Treppe – und das ist schließlich das Allerbeste: Eine Treppe hoch steigen.

Irgendwie scheint er aber noch ein anderes Ziel zu haben. Ohne Umwege schleift er mich geradeaus durchs Wohngebiet. Ich ahne es; Da hinten, neben dem letzten Hochhaus ist ein Spielplatz. Aber dass er sich daran erinnert?! Einmal war er hier mit Oma. Ja, wirklich. darauf hält er zu. Die Rutsche ist super, denn sie ist hoch. Sehr, für seine Verhältnisse.Uff! Das war ein ziemlich harter Aufschlag auf seinen kleinen Hintern. Eine Nasse Rutsche und eine Matschhose geben in der Kombination viel Schwung. Mika hat’s ziemlich weit von der Rutsche katapultiert und quasi sitzend auf den Kies knallt. Das ist aber nicht, worüber er sich beschwert: An seinen Händen kleben die nassen Kieselsteinchen, das findet er sehr doof. Nochmal rutschen will er trotzdem nicht. Vom Laufen hat er auch genug, ich trag‘ ihn jetzt einfach schnurstracks nach Hause. Gänzlich gegen seinen Willen scheint das nicht zu sein.

(swg)

7.9.2024

Mika brabbelt immer mehr, benutzt aber auch allerhand Gesten. Unter anderem kann er zeigen, dass er eingekackt hat; Gerade hat er das Janni gezeigt und dann auch verlangt, dass sie ihn wickelt…

Er ist zum Bäcker und zurück gelaufen. Hat dafür seinen kleinen Rucksack aufgesetzt, einen Stein, ein Pferd eingepackt und Leo unter den Arm geklemmt.

8.9.2024

Ich hab mit Mika Torsten besucht, der feiert seinen Geburtstag. Wie das immer so ist: Mika pennt mal wieder extra lang, wir haben ja einen Termin. Fünfzehn Uhr wollen wir dort sein. Eigentlich … Außerdem hat Mika das Mittagessen verpasst, das muss noch rein. Mit Jägerschnitzel krieg ich die Kinder eigentlich immer, Mika allerdings bisher nicht so, den Kartoffelbrei wollte er auch bisher nicht, lediglich Möhrchen in Butter zogen bei ihm. Heute ist das anders, fröhlich mampft er alles drei’s durcheinander. Na, nicht schlecht.

Bei Torsten zeigt er erstaunlich wenig Scheu. Er spaziert in die Wohnung, grinst alle Gäste an, die schon da sind, und fängt an zu spielen. Am meisten begeistert er sich für die Modellbahn, Torsten hat seine alte Platte wieder in Betrieb. Immer wieder steh ich mit Mika auf dm Arm davor und wir gucken, wie die Züge im Kreis flitzen. Oder mal entgleisen und von den anderen Kindern mühsam wieder auf die Schienen gefummelt werden.

Haustiere gibt es auch, aber so spannend findet Mika die Landschildkröten nicht; Die Wasserschildkröte dagegen findet er aber schon spannend, denn die ist gerade sehr aktiv. Es gab Futter. Wir hatten ihm schon zu Hause die Gebärde für Schildkröte gezeigt; Er hat sie sofort versucht nachzumachen. Und auch jetzt zeigt er die Gebärde wieder. Schon erstaunlich, wie leicht und schnell er seinen Gebärden-Wortschatz erweitert.

10.9.2024

Mit der Eingewöhnung in der Kita bleibt es schwierig – finde ich jedenfalls. Mika will partout nicht ohne mich in der Kita bleiben. Heute hab ich versucht mit ihm vorher drüber zu reden, dass ich dann gehen muss und er bleibt. Er hat mich entgeistert angeguckt und energisch seinen kleine Kopf geschüttelt. Kurz darauf hat er sein Spiel unterbrochen und wollte, das ich mit ihm zur Garderobe gehe. Anziehen. Nach Hause.

12.9.2024

Gestern hat Mika ganz schön geklammert beim Abgeben an der Tür. Fand er gar nicht gut. Auch heute wollte er mich wieder mit ins Spielzimmer nehmen. Er brach in Tränen aus, als ich mich aber verabschiedete. Immerhin hat er sich aber nicht an mir festgekrallt und ist bei seiner Bezugs-Erzieherin geblieben.

13.9.2024

Es schifft den ganzen Morgen, deswegen nehme ich heute wieder den Chariot um Mika in die Kita zu bringen. An der Kita angekommen stiefelt er fröhlich hinein, es sind viele Kinder auf dem Gang. Die Spielfläche wurde auf die Art erweitert, es ist einfach zu nass im Garten, um raus zu gehen. Interessiert guckt Mika sich um, setzt sich aber erstmal zum Umziehen hin. Dummer Weise nenne ich seine Erzieherin beim Namen, als sie auf den Gang heraus kommt: Aline. Mika kann das aber nicht von seiner Schwester Alina unterscheiden. Er schaut sich suchend um, und bedeutet mir, dass sie ja nicht da ist! Dann bricht er in Tränen aus. Tröstend nehme ich ihn auf den Arm und erkläre nochmal, dass ich jetzt gehen muss, aber bald wiederkommen. Aline kommt zu uns, Mika streckt überraschender Weise die Arme nach ihr aus, weint, winkt mir, weint immer noch, winkt nochmal. Ich kann gehen. Kurios.

14.9.2024

Hat Mika sich gerade wirklich selber erkannt?! Wir gucken zusammen unseren Monatskalender an; Er will vor allem immer die Seiten mit den Pferden finden. Wir fragen ihn immer mal, wer da so zu sehen ist: Seine Schwestern erkennt er immer und schon lange; Er gebärdet sie auch. Wir sind auch kein Problem. Aber dann ist er zu sehen und dabei zeigt er jetzt auf sich selbst. Wir probieren es nochmal auf einer anderen Seite: Klappt wieder! Das wäre doch recht früh; Andererseits haben wir ihn auch oft genug sich selbst gezeigt. Wir müssen das mal vorm Spiegel ausprobieren.

16.9.2024

Ich versuche weiter meinen Sport noch unterzubringen: Mit Mika bin ich deswegen heute schon halb neun in der Kita. Zeitiger geht nicht, denn ins Frühstück darf ich nicht hereinplatzen. Schon vor dem Tor ist Mika klar, worum es jetzt geht. Er weint nicht richtig, aber er jammert: „Mamamamama…“ Ach, mein kleines Elend. Ich nehm‘ ihn auf den Arm und trage ihn in die Kita. Beim Schuhe wechseln ist eigentlich alles wieder in Ordnung. Vor allem ist Mika abgelenkt, Ein Mädchen aus seiner Gruppe zieht sich auch gerade um, fasziniert ihn, dass sie die Schuhe selber aus und an bekommt. Ins Zimmer will er noch nicht gehen, aber er kommt mich erstmal knuddeln – und ich verhindere das er mir von seiner Erzieherin aus dem Arm gepflückt wird. Nach einer Weile löst er sich von mir und will mit mir zur Ausgangstür, nach draußen. ‚Nee, Mika. Du kannst spielen gehen und ich muss zum Sport.‘ Kopfschütteln. Ich knuddel ihn weiter; Frag nochmal, ob er rein geht, spielen, da gibt’s die Schleich-Tiere, Elefanten! Irgendwann geht er tatsächlich. Ohne mich! Ok, kurz hinter der Schwelle dreht er sich doch wieder um und kommt weinend zurück. Es ist aber nichts panisches drin, er hört sich nur unzufrieden an. Er lässt mich los, ich darf ‚Tschüss‘ sagen.

Die Zeit für Sport ist knapp, heute, ich muss mein Programm im Fitness-Studio kürzen. Außerdem erfahre ich, dass mein Fitness-Studio schließt. Ich hab nur noch diese Woche. Muss mir was neues suchen. Mist, verdammter.

20.9.2024

Heute Morgen hat Mika tatsächlich was bemerkenswertes gemacht. Im Flur stand er mit runtergelassener Hose und gebärdete „Kacka“. Kurz in die Windel gelunscht: Nö, hatt’er nicht. Also ihm die Hose wieder hochgezogen. Er protestiert? Und er zieht die Hose runter und gebärdet wieder „Kacka“. Aber er zeigt auch noch ins Bad: Er will aufs Töpfchen! Das klappt auch tatsächlich. Na spannend: Mika spricht so gut wie nicht. Es geht kaum über Papa und Mama hinaus. „Oma“ kam einmal und dann nicht mehr. Wenn seine Schwestern (zurück)kommen sollen zum Spielen, hat er ein hochtönendes Quietschgeräusch, von dem einem die Ohren klingeln. Aber es sind tatsächlich leicht unterschiedliche für seine beiden Schwestern. Dazu macht er eine grabschende Geste. Er kennt überhaupt inzwischen eine große Zahl an Gebärden für Dinge und einige Tätigkeiten. Jetzt hat er begonnen soetwas wie Zweiwort-Sätze damit zu bilden. Wenn er ein Flugzeug hört zeigt er die Gebärde dafür und dann „weg“, weil man ja das Flugzeug nach kurzer Zeit nicht mehr sieht. „Weg“ ist überhaupt seine Lieblingsgebärde.

Was dagegen gar nicht klappt ist der nächste Schritt in der Kita-Eingewöhnung. Mika soll heute nicht nur mit Mittag essen sondern auch schlafen. Wir haben nicht dran geglaubt. Zu Hause schläft er seit jeher nur mit Maria und vor allem stillend ein. Ohne Brust von Mama wird das nichts. Die Mensa ist nicht weit, dort wollen wir Mittag essen und auf den unvermeidlichen Anruf der Kita warten. Lange dauert’s dann auch nicht. Mika ist nicht zu beruhigen, geschweige denn, dass er schläft. In der Kita höre ich ihn schon heulen. Er ist schon wieder umgezogen, ein bisschen verloren tappst er durch den Gang. Als er mich sieht bleibt er stehen, verstummt und guckt verlegen auf seine Finger. Das ist ein bisschen lustig, aber wie wir das hin bekommen sollen, ist mir ein Rätsel.

23.9.2024

Gestern haben wir zu Hause den Mittagsschlaf ohne stillen nochmal probiert. Eine reine Katastrophe. Sogar bei mir in der Manduka ist er erst nach einer dreiviertel Stunde eingeschlafen. Er wollte einfach keinesfalls ohne Milch einschlafen. Dafür gibt’s jetzt auch Abends regelmäßig Ärger beim ins-Bett-bringen. Eigentlich ist er an Marias Brust schon weggeschlummert, da geht ein Zappeln durchs Kind und er ist wieder wach, will raus und spielen :|

Heute Nacht ist er dann sogar um drei aufgewacht und wollte ins Wohnzimmer zum spielen. Erst nach einer halben Stunde ließ er sich überzeugen, wieder ins Bett zu kommen. Solche Nächte machen einen kaputt, man läuft den ganzen nächsen Tag wie neben der Spur.

Beim Abgeben heute Morgen in der Kita ist Mika tatsächlich alleine ins Spielzimmer marschiert. Nicht ohne Tränchen, er fing an zu weinen, aber er guckte dabei nur zurück und winkte. Aber er ging. Kann man das tragikomisch nennen? Es war ein bisschen traurig, ein bisschen lustig. Und es fühlte sich komisch an.

Heute kam kein Anruf, was aber schlicht daran lag, dass ich schon in der Kita war. Mika schlief natürlich nicht, er war draußen im Gang unterwegs. Bzw. ließ er sich einen Becher Wasser geben. Verständlich machen kann er sich offenbar, auch wenn die Erzieher keine Gebärden können. Die Kinder schlafen schon getrennt nach denen, die wirklich schlafen und denen, die wach im Bettchen liegen. Mein Kind bleibt nicht liegen, auf gar keinen Fall. Mika läuft draußen rum …

26.9.2024

Da Mika auch am Dienstag nicht zum Mittagsschlaf gekommen ist, haben wir ihn ab Mittwoch nicht erst um neun abgegeben, sondern schon um acht. Er frühstückt mit und hat einer Stunde länger bis zum Mittag. Wir hoffen, dass er dann einfach platt genug ist, um einfach nach dem Mittagessen einzuschlafen. Im Prinzip geht der Plan auf, auch wenn er ziemlich lange braucht, ehe er einschläft, sagt man uns. Ohne Tränen ging das natürlich nicht, aber immerhin kuschelt er seine Bezugs-Erzieherin und schläft wirklich ein.

In die Kita ist Mika wieder genauso fröhlich hineinmarschiert, wie in den letzten Tagen. Er mag die Kita sehr, er geht gern hin. Nur der Abschied vom Papa, der war bisher schwer. Nach dem Umziehen ist Mika heute Morgen allerdings einfach in die Mensa rein marschiert, hat seine Erzieherin geknuddelt und mir einfach nur kurz gewinkt. Dann gab’s Frühstück für ihn, ich sollte bitte gehen. Ganz einfach.

So schön es ist, dass er sich offenbar in der Kita wohl fühlt, ein bisschen befremdet es mich schon. Bin ich etwa ein wenig eifersüchtig?! Wahrscheinlich. Heute Mittag hat er dann wohl wieder geschlafen, sogar schneller als gestern. Leider wieder nur eine halbe Stunde, entsprechend breit ist er, als ich ihn nach dem Vespern abhole. Essen scheint so gar kein Problem zu sein. Im Gegenteil, er isst sehr ordentlich, mit Besteck oder beißt ordentlich von seinem Vesper-Knäcke ab. Zu Hause lutscht er immer nur dem Belag runter; Mit den Resten wird gerne rumgematscht. Und er bleibt sitzen, bis alle anderen fertig sind. Macht er zu Hause nie. Wenn er da keinen Bock mehr auf essen hat steigt er einfach aus seinem Kinderstuhl und klettert runter.

Ansonsten ist Mika heute so breit, dass er nach einer knappen Stunde spielen zu Hause im Hof einfach nur schlafen will. Es ist kurz nach vier. Zum Abendbrot ist er nochmal kurz wach, danach ist er ganz offensichtlich wieder reif fürs Bett.

29.9.2024

Uns ist aufgegangen, dass Mika wohl wirklich ein Problem mit dem Sprechen hat. Er tut es einfach nicht. Bevor jetzt jemand ruft ‚kein Wunder, er kann ja Gebärden nutzen und muss gar nicht sprechen!!‘: Nee, so ist das nicht, aber dazu später. Letzten Freitag war seine U7. Mal abgesehen davon, dass er mit 8,6 kg immer noch sehr leicht ist, verläuft seine Wachstumskurve noch halbwegs parallel zum Standard. Das mach uns auch wenig Sorgen. Er ist irrsinnig agil, läuft, klettert, spielt. Manchmal ist das fast schon zu anstrengend für uns. Heute waren wir zum Beispiel im Dresdner Zoo (Man, haben die Preise angezogen!): Er ist die ganze Runde selber gelaufen, fröhlich, mit all seinen selbständigen Ausflügen und Umwegen, die er immer überall macht. Was er aber, wie gesagt, nicht macht ist sprechen. Nicht ein Wort auf der Liste der Ärztin konnten wir ankreuzen, denn er spricht tatsächlich nicht ein einziges – Mama und Papa zählt nicht. Er versucht manchmal auch Wörter zu sprechen, neulich ist er in seinen Kinderstuhl geklettert und hat ‚maln‘ gesagt: Er wollte seine Buntstifte und Malheft haben. Mehr ist da aber gerade nicht. In seinem Alter sollten es wenigstens 50, aber eher so 100 Wörter sein.

Physische Ursachen schließen wir erstmal aus. Hören kann er definitiv; Komplexe Aufgaben versteht er und erledigt sie. Inzwischen gebärdet er auch kurze Sätze, es ist also nicht so, dass Mika sich nicht ausdrücken könnte. Die Kinderärztin hat uns trotzdem eine HNO-Überweisung ausgestellt und das ‚Heidelberger Elterntraining‘ nahegelegt. Offenbar gibt es so 15% der Kinder, die spät sprechen lernen. Das fällt, wie bei uns, um den zweiten Geburtstag auf. Ein großer Teil der Kinder holt bis zum 3. Geburtstag beim Spracherwerb auf, der kleinere Teil hat immer größer werdende Probleme. Man kann aber jetzt nicht feststellen, wen das später treffen wird.

Beim Ratgeber zum Heidelberger Elterntraining steht noch was Interessantes dabei: Eine große Unterstützung beim Spracherwerb ist das Gebärden. Es hilft den Kindern beim Verknüpfen und beugt außerdem Frust vor, dass sie sich nicht verständlich machen können. Aus versehen scheinen wir also das Richtige gemacht zu haben. Mika hat offenbar große Freude daran, sich mitzuteilen. Früh morgens hat er heute gesagt, dass seine Schwestern heute in die Schule gehen. Ich muss jedesmal grinsen, wenn er Gebärden fuchtelt. Bisschen hin ist es ja noch zu seinem zweiten Geburtstag, vielleicht tut sich ja noch was.

(swg)

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