Das mit dem „Es zieht sich“ bleibt, liegt einfach an uns. Erst um 8 werden wir wach, ehe ich mich gesammelt hab, ist es fast 9:00. Gleich kommt ein Bus, der mich rüber zum Stadtteil Karosta und der Werkstatt bringt, die den Chevy repariert hat. Bis vier hätte ich ihn gestern schon holen können. Genau genommen hätten wir die Ferienwohnung also gar nicht gebraucht. Andererseits ist die Wohnung so schön, ganz nah am Strand, das kann man ja auch mal genießen. Gebucht war sie nun mal und einen Stellplatz zum Zelten mit dem Chevy finden hätte ich ja auch noch müssen.

Ich mag es sehr, in fremden Städten mit dem ÖPNV unterwegs zu sein. Der Abschlepper gestern hat schon sehr skeptisch geguckt, als wir sein freundliches Angebot ausschlugen, uns noch von der Werkstatt zur Ferienwohnung zu bringen. Neben den mit Klamotten gepackten Rucksäcken hatten wir auch noch zwei Einkaufsbeutel dabei, einer recht schwer. Ganz praktisch war mein Grund, dass ich in der Ferienwohnung die Kindersitze auf dem Hals gehabt hätte. Die Möglichkeit hier einfach mit dem Bus oder der Straßenbahn quer durch die Stadt zu fahren, und schon ein bisschen was davon zu sehen, fand ich sehr reizvoll. Ist man mit dem Auto unterwegs, achtet man auf den Verkehr und sieht schlicht nichts.

Stellte sich heraus, dass das Busnetz recht dicht und eng getaktet ist. Für eine Stadt mit gerade mal 76.000 Einwohnern ist das bemerkenswert. Tickets bekommt man beim Fahrer; Google Maps findet die Verbindungen. Es ist wirklich ganz einfach. So geht es auch heute für mich zur Werkstatt zurück: Nach gerade einer halben Stunde bin ich am Ziel.Kurz und knackig geht die Übergabe des Chevy. Ich bekomme gesagt, was gemacht wurde – alter Schraubenrest raus, neues Gewinde und neuer Bolzen rein macht 65,- € – ich bezahle und schon bin ich vom Hof. Meine Route zurück auf der Karte finden dauert länger.

Zurück in der Ferienwohnung gibt es Frühstück, die Waschmaschine kriegt Arbeit und dann wollen wir rüber nach Kara-Osta fahren, den Bunker- und Batterieanlagen beim Im-Meer-versinken zugucken.

(swg)

Unser Wecker klingelt halb sieben. Das klingt vielleicht früh, aber bis zehn, wenn der Abschlepper kommt, wird die Zeit schneller rum gehen, als uns lieb ist.

Rucksäcke mit Klamotten für drei Tage haben wir gestern zusammengepackt, eine Ferienwohnung bis Donnerstag ist gebucht.Zeit genug, dass eine Werkstatt sich um den Chevy kümmern kann. Das Abschleppen und auch die Werkstatt haben wir über den ADAC organisieren lassen.

Bis zehn hab ich noch zehn Minuten: Eine Dusche. Das Dachzelt zusammenklappen lässt mich doch jedesmal in der Sonne schwitzen. So pünktlich wird der Abschlepper am Ende nicht sein. Noch bevor ich das Wasser aufgedreht hab: Ein Anruf, halb elf isser da. In Ordnung.

Der Abschlepper kommt und hat schon einen Volvo drauf: Unser Transfer nach Liepāja.Stellt sich heraus, dass das sein privater Pkw ist. Der Chevy zieht eh immer schon alle Blicke auf sich. Jetzt erst recht, wenn er Huckepack genommen wird.Zurück geht es jetzt nach Liepāja, ca. 50 km, knapp eine Stunde Fahrt. Die vom ADAC benannte Werkstatt soll sich dort das Problem der abgerissenen Schraube am Lenkgetriebe ansehen und es besten Falls beheben.Es fühlt sich seltsam an, so seinem eigenen Auto hinterher zu fahren. Ungewiss, ob wir weiter durch die baltischen Staaten reisen können. Wenn nicht, ist Liepāja mit Strand und etwas Altstadt ein netter Abschluss. Es wäre nur halt vier Wochen zu früh.

Die erste Werkstatt, vom ADAC benannt, sagt ‚Freitag‘. Und es ist kein Platz den Chevy da zu lassen. Äh. Das geht natürlich nicht. Der Abschlepper und der Werkstattmeister unterhalten sich kurz, es gibt wohl eine andere Werkstatt, die es auch richten könnte. Wir gondeln nochmal durch Liepāja, nordwärts.

In der zweiten Werkstatt guckt einer sich die Sache direkt an, ich zeige ihm die Schraube und das Problem: „Morgen fertig!“. Öh? Ich erkläre nochmal, dass das keine Metrische Schraube ist, er hätte was da. Um die Sprachbarriere zu überwinden ruft er seine Kinder an – die weilen in Köln und sprechen deutsch. Sie übersetzen. Er bleibt dabei: „Morgen fertig“. Was erschätzt, das es kostet? Muss er sehen, wie lange er braucht, den Rest der alten Schraube rauszudrehen. Gut, ich geb mich geschlagen, Werkstattauftrag unterschrieben, Kindersitze noch in den Chevy stellen. Der ist schon auf einer Bühne.Unser Abschlepper ist etwas verdutzt und fragt, ob wir wirklich nicht von ihm zum Hotel gebracht werden wollen. Ich danke vielmals, sehr nett von ihm aber insistiere: Nein. So würden wir noch was von der Stadt sehen; Bus und Bahn machen das sicher. Er lacht freundlich und zeigt auf meinen Oberarm, der eine Einkaufsbeutel mit Extrakram ist nämlich tatsächlich recht schwer. Ich hab mit Mika trainiert, der sitzt eh am liebsten auf meinem Arm.

Maria ist von der Idee auch nicht allzu begeistert. Schließlich kennen wir den hiesigen ÖPNV nicht. Aber hey, ich denke, so groß kann das Abenteuer nicht sein. Im nächsten Supermarkt besorgen wir noch eine Flasche Wasser, dann geht’s zur Bushaltestelle.

(swg)

Damit dieser Tag nicht gänzlich durch Warten auf Anrufe und Hilfe verplempert ist, entschließen wir uns zu einem späten Spaziergang. Es gibt nord-westlich von Pāvilosta ein Naturschutzgebiet, eine graue Düne. Das wollen wir uns mal angucken. Wir müssen nur 2 km durch den Ort, dann sind wir schon dort.

Eine graue Düne ist letztlich eine durch Vegetation festgehaltene und überwucherte. Irgendwann finden sogar Bäume halt, es entsteht ein Pionierwald und ein später Wald. Hier wachsen teils Gräser und Mose, teils ist schon Wald entstanden. Die Humus-Schicht ist dün bis fast nicht vorhanden, drunter kommt direkt der Dünensand. Das Gaze Gebiet steht unter Naturschutz.Vielleicht nicht das spektakulärste Ziel, aber ich finde solche sich verwandelnden Landschaften schon ziemlich interessant.

Zurück geht es über den Strand. Mika wollte schon wieder unbedingt aus der Kraxe raus. Läuft er halt. Heute sogar etwas gewillter in unsere Richtung. Möglicher Weise ist doch ein gewisser Eindruck von seinem gestrigen Strandausflug bei ihm haften geblieben. Gut so. Ausreißer sind wirklich anstrengend! Jetzt wirft er mit einem begeisterten „hoppa“ Steine in die Brandung.Oha, eine Welle, das kam überraschend. Sehr gerne schmeißt er die Steine auch mit Jannikas Hilfe: Die wirft weiter und es platscht mehr. Dann kichert er begeistert und holt den nächsten Stein. Zwischendrin können wir ihn weiter Richtung Pāvilosta dirigieren. Irgendwann ist Mika so fertig, dass er doch in die Kraxe will. Immerhin sind wir schon an der Hafenmündung, was heißt, dass er über zwei Kilometer weit gelaufen ist.

(swg)

Also eher ab. Die Schraube. Gestern Abend noch hatte ich mal wieder eine SMS an meine Werkstatt in Dresden geschickt. Zur Not würde er mir ersatzweise passende Schrauben schicken, mal gucken, was da ist. Aber den Stumpf muss ich noch aus dem Lenkgetriebe kriegen. Bewegen tut sich da so ohne weiteres nichts. Mit meinem rudimentären Notbehelfswerkzeug erreiche ich da nix. Werkstatt also. Eine die Amis macht, in Lettland. Unwahrscheinlich, dass es da eine in der Nähe von Pāvilosta gibt. In zwei Foren – einem lettischen und einem deutschen – hab ich noch einen Hilferuf gepostet. Mal gucken, wwas so kommt.

Und der eine Typ hier vom Hafen spricht deutsch, der will mir heute versuchen zu helfen. Das zieht sich aber, er hat ja schließlich einen Job hier. Und eigentlich bin ich ein bisschen blöde. Warum löse ich das nicht auf die deutsche Art? Natürlich über den ADAC? Da stecken 20 Jahre – inzwischen – Plus-Familien-Mitgliedschaft drin. Genau für den Auslands-Fall, den wir jetzt zum ersten Mal haben. Simpler Weise kann ich mein Problem sogar einfach online melden. Maschinerie in Gang gesetzt.

Eine halbe Stunde später meldet sich jemand telefonisch in gebrochenem deutsch. Sie würden jemanden schicken, der sich das Problem anguckt, sagt sie. Heute vielleicht, aber sicher morgen, am Montag. Gut. Ist halt so. Nachmittags ein weiterer Anruf, ein englisch sprechender Mann erklärt, Sie würden doch lieber zu einer Werkstatt in Liepaja abschleppen, die sich das anguckt, Montag dann. Gut, hab ich mir gedacht, wenn hier einer guckt, bringt das garantiert bei einem 40 Jahre alten Ami nichts. Wie lang das Fahrzeug ist? 5,15  ist kein Problem. Um 8 könnte der Abschlepper da sein. Ich schiebe auf 10, weil ich ja irgendwie das Camp abbreche und auch Klamotten für die Ferienwohnung einpacken muss.

Ehe er auflegt kriege ich noch den Hinweis unter, dass der Chevy mit allem drin gerade 3 Tonnen wiegt. Und das ist gut, er ging von 2,2 Tonnen aus; Das wäre schief gegangen. Er kümmert sich um entsprechenden Transport nach Liepaja – auch für uns alle. Hotel organisieren wir uns selber: Ich glaube, mit einer Ferienwohnung kommen wir besser zurecht. Schaffen wir.

Ob die Werkstätten hier ’ne zöllige Schraube mit höherer Härte auftreiben können, bezweifle ich. Deswegen buchen wir uns eine Ferienwohnung von Montag bis Donnerstag in Liepaja, ganz nah am Strand. Das verschafft uns im Zweifel genug Zeit, Teile aus Deutschland schicken zu lassen. Außerdem verbringen wir die Zeit dann einfach dort wie Urlaub. Auch schön.

(swg)

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