Samstag, vier Uhr dreißig, der Wecker klingelt. Was tut man nicht alles fürs künftige Verreisen? Nach Lüneburg fahren zum Beispiel, mit dem Zug.
Ich quäle mich aus den Federn und unter die Dusche – kalt, warm, egal, munterer werde ich nicht. Kram schnappen und aufs Fahrrad. Nachdem Torsten gestern noch kurzfristig seine Mitfahrt abgesagt hat, entscheide ich mich fürs Strida. Faltrad und Bahn sind einfach ein unschlagbares Duo. Pünktlich bin ich am Bahnhof. Der IC auch.Durch die Nacht geht’s nach Berlin. Es ist nix los, der Zug nahezu leer und damit still: Schlaf nachholen – zumindest versuchen. Bis Berlin sind’s zwei Stunden.
Berlin erkennt man sogar mit der Nase. Der aus der U-Bahn aufsteigende Geruch ist unverwechselbar, das riecht in keiner anderen Stadt so. Eine halbe Stunde und ein Croissant später fährt der IRE nach Hamburg weiter.Ich erfahre ein Jahrhundert Bahntechnik-Unterschied zum IC. Der Wagenkasten ist nicht mehr aus Holz, die Generation davor war es aber sicher noch. Na, lieber schlecht gefahren als gut gelaufen.
Wofür ich das eigentlich mache? Mit unserem Wohnmobil haben wir schon einige Touren erlebt, nicht zuletzt unsere großartige Skandinavienreise. „Normalen“ Urlaub gab es auch, am Olbersdorfer See zum Beispiel. Innerhalb Deutschlands verschlägt es uns dabei oft auf Campingplätze, zu oft für meinen Geschmack. Leider bin ich mit der dort wohnhaften Klientel nicht kompatibel, die geh’n mir zu schnell auf den Sack. Wenn schon bei Ankunft direkt das Wohnzimmer inklusive Teppich (sic!) auf den Rasen gekippt wird und anschließend der Platz aus Brüllwürfeln mit dem debilsten empfangbaren Gute-Laune-Sender beschallt wird, ist mein Toleranzwille schon arg strapaziert.
Mich zieht es weiter weg und in unwegsamere Gegenden. Mit ohne Menschen. Dem 3,5 t-Ducato wird aber schon eine feuchte Wiese zur Falle.
Eine Weile hab ich nun nach familientauglichen Allrad-Bussen gesucht. Ein Lkw á la Hermans soll’s nicht gleich sein, schon weil Maria nur einen Klasse-B-Führerschein hat. Bei den Bussen ist die Auswahl deutlich beschränkt. VW T3, T4 oder T5, Mercedes Benz Viano/Vito und auch der Sprinter.
Der T3 und T4 ist selten mit Allrad, und wenn angeboten, dann teuer oder „verlebt“. In Massen ist der T5 im Netz zu finden – sogar mit Allrad. Aber wenn man mein Budget von 13-17.000 € nimmt, ist die Laufleistung gern jenseits von 200.000 km. Ein Telefonat mit meiner Stammwerkstatt war ernüchternd: Den Diesel mit 180 PS unbedingt stehen lassen, die Motoren sind nicht zuverlässig. Beim 140 PS darf ich bis 100.000 km zuschlagen, soll aber noch 4-5 Scheine beiseite haben, damit der auf der Straße bleibt. Kurzer Preis-Check: T5 mit 140 PS und Allrad bis 100.000 km? 23.000,- € plus die Scheine fürs Auf-der-Straße-Halten! Nö!!
Bei den Benz der Baureihen W 639 sieht es besser aus. Wenigstens scheinen die Motoren kein Problem zu sein. Allrad ist auch verfügbar. Die Preise sind im Rahmen und das Angebot ausreichend. Wenn ich allerdings meinem ehemaligen Nachbarn Glauben schenke, sind die Bremsen gerne öfter fällig, Federn zerbröseln, die Lackqualität lässt zu wünschen übrig und auch sonst trüben gern diverse Kleinigkeiten das Gesamtbild. Darüber könnte man vielleicht hinwegsehen, wenn man die Ausstattungsvariante „karg“ wählt. Dann sind nicht so viele Kleinigkeiten verbaut und werden bei einem robust ausgerüsteten Off-Grid-Camper auch nicht zu sehr vermisst. Eigentlich ist es trotzdem noch ein Kandidat.
Wenn es älter sein darf, wäre da noch der VW LT oder ein Iveco Daily. Beides ist sehr selten als Bus oder Transporter und wenn angeboten, sind die schon zu Reisemobilen umgebaut – meist nur für 2 Personen und nicht familientauglich. Entsprechende Preise werden dann außerdem aufgerufen – 30.000 € für einen Camper, der innen nicht für uns alle taugt? Nee. Achja, Allrad-Sprinter liegen auf dem gleichen Niveau, aber ohne Innenausbau.
Und dann ist mir noch was ganz anderes über den Weg gelaufen, etwas, das ich überhaupt gar nicht auf dem Schirm hatte! Unschuldig stöberte ich auf ebay-Kleinanzeigen: Ein Chevrolet Van! Ja genau, baugleich mit dem GMC Vandura – das A-Team lässt grüßen. Aber der hier ist mit Allrad und martialisch höhergelegt! Und der Preis ist gerade noch im Rahmen.
Was gibt es für Schwächen beim Chevy? Rost! Aber der hier hat schon eine Komplett-Kur gekriegt, alle Dellen wurden rausgezogen, alles geschliffen, gespachtelt und neu lackiert. Vorderachse: Die Lager schlagen gern aus, schon gleich, wenn die nicht halbjährlich abgeschmiert werden – was wohl gerne vernachlässigt wird. Motor: Es ist ein 5.7 L V8. Das ist natürlich mitnichten eine Schwäche, gilt doch der 350er Smallblock als unzerstörbar. Mit der TBI – also Einspritzung – hält sich sein Durst für so ein Monster mit 200 PS und 380 Nm in Grenzen. Mit ca. 16 L auf 100 km muss man rechnen.
Genau das ist der Grund für meine heutige Bahnreise. Ich geh mir den Boliden angucken und gegebenenfalls kaufen. Mitnehmen kann ich ihn leider nicht gleich. Der TÜV hat seinen Segen wegen der Bremse hinten rechts vorerst verweigert. Das steht einer Besichtigung aber erstmal nicht im Wege. Gleich halb elf, Lüneburg wurde schon angesagt und Steffen – der Verkäufer – hat sich auch schon gemeldet, um mich vom Bahnhof abzuholen.
Update: gekauft! Eine dreiviertel Stunde ist Steffen mit mir durch die Gegend gegondelt. Abgesehen von einer leichten Ölfeuchigkeit am Getriebe scheint alles i.O. Flüssigkeiten sehen erstmal ganz gut aus. Sobald der TÜV drauf ist, bekomme ich das Vollgutachten für die Zulassung und kann das Gerät abholen. :)
(swg)