‚Knack‘ hat’s in der Lenkung gemacht, als ich auf der Wiese des Hafens von Pāvilosta den Chevy gerade ausrichte. Noch hab ich mir bei dem Geräusch und leichten Ruck in der Lenkung nichts gedacht. Wie immer ist es ein bisschen spät geworden, manche Dinge ziehen sich bei uns doch ganz schön. Einkaufen ist sowas: Ein Faktor ist dabei, dass wir die Supermärkte nicht kennen und alles suchen müssen; Im Speziellen die glutenfreien Sachen für Alina, die es oft doch nicht gibt. Wir müssen aber jede potentielle Gelegenheit nutzen ihre Vorräte aufzustocken. Und Mika: Da muss immer einer hinterher sein, sonst räumt er irgendein Regal aus, zerpfriemelt irgendwas oder läuft einfach schnurstracks nach draußen davon.

Jetzt wollen wir das Dachzelt schnell aufklappen und ein kurzes Abendbrot machen. Aber vorn ums Auto rum liegt eine dicke Schraube im Gras, ca. M10 und 10 cm lang. Scheiße!Drunter rumkriechen, wo kommt die her? Fahrwerk bestimmt. Irgendwie von den Blattfedern? Nee. Lenkung? Shit, oben am Lenkgetriebe sind nur noch zwei von drei Schrauben drin!So kann ich definitiv nicht weiter fahren. Wenn noch eine Schraube aufgibt, dann tut das die letzte mit Sicherheit auch gleich mit. Und dann hab ich ein unlenkbares Fahrzeug! Der Chevy macht mich fertig.

Wir bauen erstmal auf. Was bleibt auch anderes übrig? Weiter geht’s ja sowieso nicht. Wieder: Optionen checken. Achja! Morgen ist Sonntag…

(swg)

Ein Regenguss weckt uns heute Morgen, es trommelt auf Dachzeltdach. Müssen wir wohl ein nasses Zelt einklappen. So richtig bleiben wollen wir am litauischen See, Metelys, nicht. Wir haben das Wochenende außer acht gelassen: Da fahren Litauer raus zum Camping und „machen Party“ am See… Der Platz hier ist unser Notbehelf, der anvisierte war leider voll. Eine halbe Stunde später haben wir aber diesen Unterschlupf gefunden.

Gestern haben wir endlich die litauische Grenze passiert. Es ist ein Segen die polnischen Landstraßen hinter uns zu lassen: asphaltierte, zu schmale Buckelpisten trifft es vielleicht am ehesten. Das stundenlange Gehoppel und Geschaukel macht mich matschig im Kopf. Der Sinn für Geschwindigkeit geht völlig verloren. Um die Wolfsschanze herum war’s besonders schlimm, auch weil aus unserer Richtung eine Straße gesperrt ist, und wir noch kleinere Straßen nehmen mussten. Das Fahrwerk des Chevy wurde gefordert, 3 Tonnen auf Blattfedern mit Starrachsen und extremer Bodenfreiheit schaukeln ordentlich. In Litauen war’s sofort besser, wenn man von dem überraschend endenden Asphalt vorm kleinen Grenzübergang absieht. Da brezelt man mit 80 einfach in eine Lehm- und Schotterpiste…

Jetzt fühle ich mich tatsächlich ein bisschen ausgeschlafen, obwohl es noch nicht mal sieben ist. Auf dem Zelt trappeln die Füßchen einer Bachstelze, sonst ist nichts zu hören. Der Partylärm ist abgeebbt. Ein Blick aufs Wetter zeigt ein anrückendes Gewitter. Wir stehen auf offener Wiese, da sind wir besser nicht im Dachzelt. Aber bis dreiviertel acht haben wir Zeit. Nochmal rumdrehen.

Bevor es los geht, sind wir unten im Bus. Schwallweise klatscht das Wasser hinten vom Tarp und oben vom Dachzelt, unablässig zucken Blitze und der Donner grollt.Wir müssen überlegen, wie bzw. wann wir weiter wollen. Nass abbauen macht keinen Spaß.

(swg)

Man könnte viel dazu schreiben und andererseits ist dazu alles gesagt. Bleibt mein Eindruck vielleicht übrig: Wahnsinn in Beton gegossen. Sinnlos. Und später gesprengt. Schaut es Euch an. Bringt etwas Muse mit, wenn Ihr durch die Trümmer einer Zeit meandert, die hoffentlich keine Wiederholung findet.

(swg)

Manche Tage fahre ich emotional zu sehr Achterbahn. Gerade geht’s wieder abwärts: Der Chevy hat sein Problem mit der rechten Hinterradbremse wieder, sie wird heiß. Nicht kochend oder stinkenden, aber eben heiß. Schon die letzten Tage habe ich das wärmer werdenden Hinterrad misstrauisch befummelt, bei jedem Halt. Ich dachte, das Problem wäre mit dem Wechsel der Bremszylinder und des Blechkrams in der Trommelbremse erledigt. Offenbar nicht. Es macht mich fertig.

Wir sind auf dem Weg zur Wolfsschanze, wieder in zwei Etappen. Wieder mit Zwischenstopp an einem See. Zwischendurch müssen die Kinder einfach raus, sonst kriegt irgendwer ’nen Koller. Mika will im Chevy auch nicht mehr schlafen, es ist einfach zu spannend und seine zwei Schwestern bespaßen ihn ja so schön…

Am See war ich wieder rituell Felgen fühlen: Man verbrennt sich hinten rechts zwar nicht, aber länger anfassen will man auch nicht. So eine Scheiße! Was mach ich jetzt? Ich kann doch nicht einfach abbrechen und den ganzen Tripp sausen lassen?! Ich hab mit dem Umbau vom Chevy schon viel zu lange gebraucht, einmal fast hingeschmissen und 10 kg abgenommen! Ich muss nachdenken, Optionen checken. Die Kinder planschen im See und weil es schon nach eins ist brauchen wir Mittag. Tomate-Mozzarella ist noch da, Brot auch. Beim kontemplativen Schnippeln kann ich planen.Eigentlich ist es ja einfach: Nachgucken kostet nichts. Naja Schweiß und wahrscheinlich dreckige Hände. Obwohl: ich hab aus irgend einem Grund Arbeitshandschuhe ins Werkzeug gepackt. Nach dem Essen inspiziere ich das Problem. Es schleift, das merkt man schon beim Aufbocken, wenn man am Rad dreht. Es schleift nicht so stark aber reicht eben für ein heißes Rad. In der Trommel gibt es das alte Bild von viel Bremsenstaub und dem sehr weit aufgedrehten Nachsteller. Warum passiert das?! Erstmal pi-mal-Daumen den Nachsteller wieder zudrehen und zusammenbauen. Schleifen weg.

Und jetzt? Weder gefällt mir der Gedanke umzudrehen, noch einfach so weiterzufahren. Schrauber anrufen! Schrauber anrufen ist bei sowas immer eine gute Idee. Man kann laut denken, während das andere Ende nickt oder den Kopf schüttelt. Es dauert, ehe ich ihn dran bekomme. Hätte er erstmal nicht anders gemacht, sagt er, zudrehen und wieder zusammenbauen. Und: Weiterfahren, im Auge behalten, zur Not wieder reindrehen. So ein Ami ist auch nur ein West-Russe, da geht so schnell nichts ernsthaft kaputt. Moralische Unterstützung ist auf solchen Touren unverzichtbar. Ich werde halt weiter nach jeder längeren Strecke rituell die Chevy-Felgen streicheln.

Also fahren wir weiter zur Wolfsschanze. Es gilt wieder dem Unwetter zuvor zu kommen, es soll wieder Gewittern. Natürlich ist auf der direkten Route zu oll‘ Hitler seinem Ost-Hauptquartier eine Straße gesperrt. Googles Umleitung enthält nur gelbe und weiße Straßen. In Polen heißt das, ihr habt’s gelesen, eventuell nur befestigter Wirtschaftsweg. Oft ist es auch ’nur‘ übler Zustand. Und wir werden nicht enttäuscht. Ein hubbeliges Auf und Ab, das den Chevy schwanken und schaukeln lässt, wie einen besoffenen Matrosen auf Landgang. Die Polen hält das natürlich nicht davon ab, mit halsbrecherischer Geschwindigkeit trotzdem noch zu überholen. Immerhin warten sie auf einsehbare Stellen.

An der Wolfsschanze ist nicht so viel los, Platz bekommen wir problemlos, ist ja Donnerstag. Aber beguckt werden wir schon; Weiß gar nicht, warum.Nachdem aufgebaut ist, wollen wir gleich noch eine Runde über das Gelände gehen, kehren aber schnell um, das Gewitter kommt kraftvoll herangerollt.Das überm Heck vom Chevy gespannte Tarp hat damit Premiere und Feuertaufe zugleich: Funktioniert auch großartig, der Küchenauszug und die Sitzplätze bleiben trocken. Oh, und das Camplight-Tau von Sunnyside ist auch ganz toll:Viel mach ich nicht mehr und eigentlich bin ich auch zu müde für irgendwas. Bettchenzeit.

(swg)

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