vom Lago di Tempra durch Pagliare di Tione und di Fontecchio
„Zwischen 6 und 7 aufbrechen“ steht in der Wegbeschreibung. Leider hat gestern Abend Marias Handy-Akku noch schlapp gemacht, so haben wir keinen Wecker. 6:20 Uhr sind wir trotzdem wach – na immerhin. Nach einer eher weniger ausgiebigen Morgentoilette (wir erinnern uns: kein Strom, Wasser aus einem 20L-Kanister) räumen wir auf und sind abmarschbereit. Kurz vor acht… ohne Kaffee ist mit mir scheint’s nichts los – aber da bin ich selber schuld, das ich mir keinen gemacht habe.

Tommie strebt vorwärts und ich fürchte, es liegt daran, dass unser Weg uns ein Stück weit zurück nach Hause führt, Richtung Heimat. Das war schon gestern Nachmittag immer wieder seine Sehnsucht.

Während wir uns der kritischen Wegkreuzung nähern, knistern wir etwas mit den Frühstücksknabbereien. Eine Eselnase schiebt sich neugierig näher. Na sowas. Wäre ja auch ein Wunder, wenn ausgerechnet unser Tommie kein verfressenes Wesen wäre. Das ist doch nutzbar ;) Wir zögern unsere Schokocroissants etwas hinaus und rascheln fleißig. Tommie ist die Kreuzung aber sowas von egal, brav – und verfressen – biegt er mit uns nach Pagliare di Tione ab. Dreißig Meter weiter kriegt er das letzte Stückchen Croissant. Zufrieden schmatzt er hinter uns her. Was verpasst? Nö, scheinbar nicht.

Trotzdem die Sonne schon hoch steht, ist es immer noch frisch, es fehlt ihr noch die volle Kraft. Wir kommen gut voran, Tommie rupft nur hin und wieder etwas vom Straßenrand,

trappelt aber fleißig weiter.

Die Schotterpiste ist zur Straße geworden, die sanft mal bergan mal bergab am Hang entlang führt. Wir können das Tal bis Pagliare di Tione überblicken.

Ein spätes Reh oben am Hang ist das einzige Wesen, das wir zu sehen bekommen. Autos fahren hier keine.

Als wir uns Pagliare di Tione nähern, sehen wir auf dem Talboden Rinder weiden. Sie bimmeln herüber mit ihren Glocken, Tommie schreit einen Eselsgruß zurück. Er liebt Viecher aller Art. Da muss er jetzt aber öfter mal stehen bleiben und gucken – könnte er Stundenlang. Es bedarf einiger Überzeugungskraft, dass er mit uns weiter muss.

Pagliare nennt man die oben in den Bergen liegenden Hirtendörfer zu den Ortschaften. Früher hüteten die Männer hier das Vieh. Nur in den Sommermonaten waren Frauen und Kinder mit hier oben. Heute sind die Dörfer oft verfallen. Doch es gibt ein paar Römer, die sich die steinernen Hütten zu Sommer- und Wochenendhäusern umbauen. Wer hier hoch kommt, will seine Ruhe und derzeit kriegt er die auch. Nur selten kommen ein paar Eselwanderer vorbei.

Am Dorfbrunnen legen wir eine Rast ein.

Ein paar Frösche schwimmen drin rum.

Tommie wird wieder der Sattel abgenommen. Grünes gibt es hier reichlich, dem er sich auch gleich zuwendet.

Wir erkunden das Dorf. Römer sind da. Friedliche Einsamkeit ansonsten. Auf einem Stein sonnt sich eine Eidechse.

Nur die Rinder bimmeln. Tatsächlich findet man hübsch hergerichtete Hütten.


Zurück am Brunnen haben drei Kinder Tommie entdeckt. So schüchtern ist er gar nicht, lässt sich die Stehmähne kraulen. Ein weiteres Mal bereue ich es, so gar kein Wort Italienisch zu können. Immerhin etwas Schulenglisch können die beiden Älteren. Wie heißt der Esel? Woher? und der Esel? Wohin?

Nach einer dreiviertel Stunde Rast brechen wir wieder auf. Der Weg ist noch weit, besonders hinter Pagliare di Fontecchio soll es anstrengend werden.

Unser Pfad führt nun unten am Talgrund entlang. Links und rechts steigen die Hänge sanft an, um links an den schroffen, steilen Felsenwänden des Monte Sirente zu enden. In Schlangenlinien winden wir uns durchs Gestrüpp nach Pagliare di Fontecchio.

Langsam treten die stacheligen Büsche zurück und geben den Blick auf eine Weide über die ganze Breite des Tals frei. Und auf Rinder.

Eine ganze Herde. Die bimmeln. Unser Pfad geht rechts vorbei. Je näher wir kommen, desto mehr neugierige Köpfe wenden sich uns zu. Köpfe mit Hörnern, laaangen Hörnern, wie wir feststellen.

Tommie grüßt wieder nach Eselsart und auch die letzte Kuh hat uns jetzt gesehen. Danke Tommie. Wir sind fast an der Herde. Erste neugierige Schritte werden auf uns zu gemacht. Na, großartig! Mit einer gewissen Befriedigung stelle ich fest, das Tommie freiwillig nach rechts abdriftet, weg von den Rindern. Ich muss sogar etwas grinsen, als er ein kurzes Stück trabt, als er die Wanderbewegung der Rinder in unsere Richtung sieht. Ganz egal ist’s ihm also auch nicht. Braver Tommie. Zum Glück sind die Rinder auch faul und bleiben wieder stehen. So interessant sind wir dann auch nicht. Schauen uns nur etwas nach.

Nach einer Mittagspause in Pagliare di Fontecchio wandern wir über den nächsten Kamm. Von dort windet sich der Pfad in Serpentinen steil den Berg hinunter.

Meist tief im Wald verborgen, öffnet sich ab und an der Blick ins Tal.

Immer wieder müssen wir verschnaufen. Und wir bemerken einen grausamen Verlust: Eine von Marias Teva-Sandalen hängt nicht mehr auf Tommies Rücken. Trotz Rettungsspurt zurück ist sie nicht aufzufinden. So ein Mist!

Hilft nichts, wir müssen weiter – und auch Tommie behält das Ziel im Blick.

Da drüben liegt Fontecchio, da müssen wir heute hin.

(Maria, swg)