Als das 9€-Ticket beschlossen wurde, war ich gespalten. Vielleicht ist es ja wirklich endlich ein Anreiz, den ÖPNV zu benutzen und die Karre mal stehen zu lassen. So einer ganz speziellen Klientel ist damit das Argument abhanden gekommen, der Nahverkehr wäre zu teuer gegenüber dem Auto. Das ist die Klientel, für die die Kosten eines Autos aus dem Spritverbrauch bestehen. Wenn man da dann „Ja aber Versicherung, Steuer, Reparaturen…“ anfing zu argumentieren wurde unwirsch „Nu is’s ja aber mal eh da!!1! Mussisch/kannisch auch benutzen!“ vom Tisch gewischt. Probieren wir gar nicht erst mit Umwelt zu argumentieren, das verfängt nie, und außerdem ist da noch die Zeit!!1! die man mit dem ÖPNV mehr braucht… Das mag sogar stimmen, zumal man seinen Tripp planen muss. Nichtsdestotrotz sind wir als ÖPNV-Benutzer die pünktlicheren; Der autofahrende Bekanntenkreis kommt meist zu spät. Mit Kindern (meist) entspannt los und irgendwo pünktlich anzukommen, statt zu hetzen, ist mir mit keiner angeblichen Zeitersparnis zu ersetzen.

Was mich gegen das 9€-Ticket vereinnahmte: Busse und Bahnen würden überrannt werden. In Teilen ist das eingetroffen – allerdings haben wir das nicht erleben müssen. In unserer alltäglichen Mobilität war zwar eine gestiegene Zahl an Fahrgästen zu bemerken; Das man in Bus oder Bahn keinen Sitzplatz mehr bekommen hätte, wenn man wollte, oder gar sardinengleich eingebüchst worden wäre, das ist nie eingetreten. Selbst unser Ausflug zum Ziegenwandern mit der allseitz beliebten S-Bahn-Linie Richtung Sächsische Schweiz verlief vollkommen reibungslos. Wobei man der Deutschen Bahn zugute halten muss, den Wochenend-Ausflugsverkehr mit mehr Wagons abgefedert zu haben.

Selbst wenn das Ticket viel zusätzliche Mobilität verursacht hätte: Haben davon nicht vor allem diejenigen profitiert, die sich ihre Fahrten davor zweimal überlegt haben? Ist das Ticket nicht genau die Demokratisierung der Mobilität, die der immer geforderten Flexibilität der Arbeitenden Rechnung trägt?

Früher hatte ich eine Monatskarte der DVB, als ich noch von Dresden nach Nossen pendeln musste. Gleichzeitig musste ich dadurch für andere Fahrten nie über ein Ticket nachdenken; Dresden und das Umland waren ja abgedeckt. Diese Sorglosigkeit habe ich tatsächlich vermisst: Einfach einsteigen und hinfahren, wo man will. Auf mein Fahrrad ist zwar verlass, aber manchmal wäre ich doch gerne faul. Oder würde unterwegs gern was lesen. Mit dem 9€-Ticket hat sich diese Sorglosigkeit sofort wieder eingestellt. Der „Hab ich das richtige Ticket“-Stress ist schlimmer, als ich vorher bereit gewesen wäre zuzugestehen. Diese unbeschwehrte Mobilität möchte ich gern behalten.

Wir würden unterm Strich auch finanziell von einem bundesweiten Ticket profitieren: Maria pendelt nach Freiberg. Die günstigste Variante – wenn man auch in Dresden ein Ticket haben möchte – ist: Dresden plus Zone Freital und den Rest mit einer S-Bahn-Monatskarte der DB. Damit summieren sich die monatlichen Kosten auf 230,-€. Es wäre schön gewesen, einfach aus dem benachbarten verkehrsverbund Mittelsachsen ein Ticket zu nehmen, aber zum Verkehrsverbund Oberelbe fehlt genau ein Haltepunkt. Der liegt im Niemandsland zwischen beiden Verbünden und zwingt zur S-Bahn…

Einige von Marias pendelnden Kollegen haben sich sogar für das 9€-Ticket vom Auto losgerissen. Deren Fazit würde ich ja gerne mal hören. Von Dresden aus spart man nämlich keine Zeit, wenn man selber fährt; Die Landstraße schlängelt sich quälend durch langgezogene Ortschaften. Die offiziellen Zahlen – 6% Auto-Stehenlasser – stimmen nicht gerade optimistisch, das viele umsteigen. Da müsste noch viel mehr am Spritpreis passieren. Andererseits ziehen die Verkehrsunternehmen durchweg eine positive Bilanz.

Und die Politik? Da fängt man über eine Nachfolgelösung gerade erst an nachzudenken. Also jetzt, wo das 9€-Ticket quasi abgelaufen ist. Unser aller Olaf Scholz hält das 9€-Ticket für „die beste Idee, die wir je hatten“. Ich halte es für zu schön um wahr zu sein. Die Diskussion ums Anschlussticket wird ob anderer „viel drückenderer“ Probleme einfach versanden. Schade. Schön wars.

(swg)