Vielleicht ist der Zeitpunkt nicht der schlechteste, das Mika gerade kränkelt; Eine Erkältung, Zähne kriegt er, dazu gibt’s ein bisschen erhöhte Temperatur. Aber akut brennt nichts auf Arbeit. Nur das Wetter wird sehr heiß, am Mittwoch rollt der Höhepunkt der Hitzewelle mit 36°C über uns. Was schlecht am Zeitpunkt ist: Maria ist zwei Tage auf Dienstreise und auch Mikas Schwestern sind nicht da: Auf Klassenfahrt, beide. Mit einem potentiell besonders knatschigen, kränkelnden Mamakind völlig ohne Unterstützung zu Hause bleiben ist eine besondere Herausforderung. Krise ist vielleicht auch nicht das falsche Wort. Aber das ist ja erst morgen, heute ist Mama abends nochmal da.

Wir verabschieden am Mittwoch Morgen alle anderen, Mika winkt fröhlich, ich eher nicht so. Der Junge hat mich die ganze Nacht immer wieder wach getreten, ich will eigentlich einfach nur wieder ins Bett. Ich muss wenigstens nicht auf Arbeit. Mika kriegt seinen Frühstücks-Toast, den er auch einfach wegemampft. Ansonsten quäle ich mich durch den Vormittag, räume ein paar Dinge auf, setze Robbi in der Stube aus, melde Mika in der Kita ab … Eigentlich ist Mika so müde, wie ich. Ausdauernd Energie hat er einfach gerade nicht. Im Gegensatz zu mir will er aber nicht schlafen. Am einfachsten ist es, runter in den Hof zu gehen, zum Sandkasten & Klettergerüst. Während Mika beschäftigt ist, kann ich mich um etwas anderes kümmern: den Krankenschein.

Unsere Kinderärztin ist nicht greifbar: Im Urlaub irgendwo im Baltikum. Es gibt über die App zwar heute tatsächlich jemanden, der Fragen beantwortet, ich komme so aber nicht an eine Krankschreibung; Mir bleibt nur der Vertretungsarzt. Im allgemeinen heißt das, Mika muss vorgezeigt werden. Irgendwo in Dresden. Ein bisschen durch die Ärzte-Liste gescrollt: Otto-Dix-Ring ist nicht so weit weg, jedenfalls mit dem Fahrrad von hier gut zu erreichen. Jeder Arzt hat natürlich sein eigenes System zur Terminbuchung – Telefon kann man vergessen, geht keiner ran – also registrieren. Bis das durch ist, sind die Termine für heute dann auch weg … Semi-sauer hab ich eine eMail geschickt, was ich jetzt tun soll. Mal sehen; Im Zweifel muss ich doch einen Urlaubstag verbraten. Auf komplizierte Ausflüge zu irgendeinem anderen, noch weiter entfernten Kinderarzt hab ich nämlich überhaupt gar keinen Bock, bin auch viel zu fertig dafür.

Noch ist es nicht so wahnsinnig heiß, im Hof ist es auszuhalten, Mika spielt friedlich im Sandkasten. Bei der Gelegenheit kann ich etwas nützliches tun: Im Sandkasten liegt jede Menge Laub, Kinder haben den Sturzkies vom Klettergerüst reingestreut und ringsum muss auch gekehrt werden. Also los. So richtig schön sind solche Aufräumaktionen nie: Zum Beispiel hat wieder irgendein hirntoter Hundebesitzer seine Hundescheißebeutel im Papierkorb am Sandkasten entsorgt, offen. Die Morgensonne hat ihren Beitrag schon geleistet und es stinkt. Kippen finde ich auch genug um die Bank am Sandkasten. Es ist einfach nur eklig. Offenbar braucht wirklich jeder Depp unbedingt sein Schild braucht. Was ein No-Brainer sein müsste: Hier fehlen ganz deutliche Hinweise zum Verhalten am Kinderspielplatz. Ich hasse Menschen. Meine Toleranz ist gerade nicht sonderlich ausgeprägt. Schlafmangel halt.

Gegen elf bekommt Mika Hunger, also gehen wir wieder rauf zum „Nudäln ess!“. Damit beschränkt sich mein Aufwand am Herd schon mal deutlich. Und Mika spachtelt tatsächlich eine erstaunlich große Portion weg.Mika beim Nudeln essen auf dem BalkonMir fällt meine eMail von heute Morgen ein, wider Erwarten habe ich eine Antwort!

Wenn Sie einen Kindkrankschein benötigen müssen Sie sich bitte bei uns in der Akutsprechstunde vorstellen. Ich habe Sie 12Uhr eingetragen. Bitte geben Sie kurz Bescheid ob Sie zu diesem Termin kommen.

Blick auf die Uhr: 11:43 Uhr; Blick auf die Karte: 3,4 km. Antwort-Mail: Ich komme! Mika ist mit den Nudeln fertig, also wird er in Windeseile angescheuselt, Pestoflecken bleiben; Wechsel-T-Shirt für den Jungen nehm‘ ich nur mit. Tasche, Fahrrad, Kindersitz, los. Verdammte Hitze, aber wenigstens ist auf den Straßen wirklich gar nichts los, pünktlich bin ich in der Arztpraxis. Was ich nicht hab, ist die Kassenkarte von Mika, die hat Maria einstecken. Nach ein bisschen Diskussion, einem Photo der Karte und etwas zusätzlichem Papierkram und einer Unterschrift unter ‚In spätestens zehn Tagen zeig ich die Karte vor‘ sind wir dran. Die Diagnose lautet ‚leicht erkältet, kann nicht in die Kita‘; Immerhin jetzt ärztlich bestätigt. Mit dem Krankenschein in der Hand dürfen wir wieder gehen.

Mika weiß auch ziemlich genau wohin es gehen soll: ‚Eis ess!‘. Am Kreisverkehr hat das ‚Gelato e Caffe Sfizio‘ noch geschlossen. Vor die Wahl gestellt entscheidet sich Mika für ein Softeis von unserem Bäcker. Mir ist das recht, jeder gesparte Umweg zu irgend einer anderen Eisdiele kommt mir bei der Hitze entgegen. Ein bisschen hab ich beim Bäcker das Gefühl, Live-Comedy zu sein, wenn ich mit Mika da aufkreuze – zumindest freut man sich immer. Wenigstens benimmt er sich halbwegs, ohne zu große Zerstörungen in seiner Reichweite anzurichten. Aber er Heute bestellt er sein Eis sogar selbst, piepst „ein Eis!“ über die Theke und anschließend schaufelt er es einfach rein. Die Hizte halt.

Wir gehen heim, nach oben in die Wohnung. Das Kind ist vollkommen breit und bettreif, reibt sich die Augen, aber will einfach nicht schlafen! Irgendwas will er immer weiter spielen, statt sich davon überzeugen zu lassen, einfach ins Bett zu gehen. Bis nach drei zieht sich das noch, dann gibt er endlich auf und schläft mir auf dem Arm ein.

(swg)