EselwandernItalien 2022

Ein Blick aus dem Fenster unseres Zimmers zeigt gar nicht so schlechtes Wetter: Es regnet zumindest nicht und das allein soll uns genügen. Die Esel müssen wir mithin nicht patschnass satteln, unsere Langohren wären dann wohl kaum motiviert mit uns hinauf ins Hochtal zu klettern und San Erasmo einen Besuch abzustatten.

Aber ehe es los geht ist unser Frühstück unten im Speisesaal des Agritourismo angerichtet.Satt und zufrieden bekommen wir noch unsere Lunchpakete ausgehändigt, dann sammeln wir unseren Kram ein und gucken nach den Eselnasen.

Aufbruch

Es fängt jetzt doch an zu nieseln, putzen können wir Rosa und Ambra aber noch; Besonders bei Rosa tut das not, die Gute hat sich ausgiebig auf der kahlen Stelle in der Wiese gewälzt. Ambras Laune ist geradezu vorzüglich, ich darf ihr heute morgen alle vier Hufe auskratzen ohne das sie mir einen Tritt androht. Womit hab ich das denn verdient?! Drin war im Huf aber nicht wirklich was. Pünktlich um zehn sind wir abmarschbereit.Wir müssen die fast gar nicht befahrene Strasse, die wir gestern gekommen sind, wieder zurück bis zu unserem Wanderweg. Caporciano können wir so noch eine ganze Weile adè winken.

So nass und schwer hängen die Wolken wirklich an den Berghängen, wie es hier den Eindruck macht. Unsere Esel laufen relativ unbeeindruckt mit; Hauptsache, sie können ab und an ihre Nasen mal ins Gras am Straßenrand stecken.Wandern mit Esel entspannt – auch den Esel, denke ich.Am Abzweig unseres Weges von der Straße bietet sich die Wiese für eine Rast an. Am Agritourismo war die Eselwiese schon etwas abgefressen und unsere beiden Graunasen gieren gar zu sehr nach frischem Grün. Eine erste Pause schon nach einer knappen Stunde kann man ja auch mal machen; Ohnehin ist der weitere Weg hinauf ins Hochtal richtig anstrengend. Der Weg ist steil und steinig.

Zum Hochtal

Nach einer Stunde gehen wir es an. Oben am Berg verläuft der Weg durch ein langgezogenes Hochtal, an dessen Ende San Erasmo, eine Kapelle, liegt. Uns lockt die wunderschöne Einsamkeit und der fantastische Blick. Außerdem bin ich gespannt, wie der 2007 abgebrannte Wald inzwischen aussieht.„Den Berg da wollt ihr rauf? Über diesen steile Weg?! Mit mir?!“ Rosas Begeisterung hält sich arg in Grenze und ohne Rosa macht auch Ambra keinen Schritt. So bedarf es ausdauernder Überzeugungsarbeit. Wir geben Rosa alle Bedenkzeit, die sie braucht, bleiben aber deutlich bei unserer Richtungswahl. Mir folgte sie bisher etwas bereitwilliger, offenbar ist mein „Andiamo“ motivierender.Nichtsdestotrotz haben wir wieder viele kleine Päuschen; Rosa trippelt sehr schnelle kleine Eselschritte, dass man schon zügig gehen muss, um mitzuhalten. Dann bleibt sie aber abrupt stehen und pumpt und schnauft, wie eine kleine Dampfmaschine.Unser armes kleines Rosinchen ist schon motiviert, da mangelt es nicht. Nach dem Winter, auf ihrer ersten Tour, fehlt es ihr nur wirklich ganz einfach an Kondition. Warten wir also einfach, bis sie wieder Luft hat, dann geht sie von ganz alleine weiter, meist braucht man nicht mal etwas sagen.

Fast sind wir jetzt im Hochtal, noch einmal können wir zurück nach unten gucken, da liegt Caporciano.Vor uns sollte sich nun der abgebrannte Wald erstrecken.Viel sieht man davon nicht mehr, das war ja auch schon 2007. Der Talboden ist bereinigt, an den Hängen liegt noch viel Totholz und es wachsen jede Menge junge Bäume. Von der Weite des Tals sieht man gerade auch nicht so viel, wir stehen mitten in den Wolken.Bestimmt kommt dann noch die Sonne durch. Die Esel ficht das jedenfalls nicht an, stoisch trotten sie ihren Weg.Zu gucken gibt es ja immer was, hier laufen zum Beispiel Unmengen an Tausendfüßlern herum.Eine gewisse mystische Stimmung verbreitet das Tal im dichten Dunst schon. Kuckuck und Nachtigal sind zu hören, sonst rauscht nur seicht der Wind.Unsere Langohren deuten an, dass es mal wieder Zeit für eine schöne Pause ohne Sattel wäre. Die sei ihnen gegönnt.Wir ergötzen uns derweil an der Pracht des Nichts in allen Richtungen; Ihr könnt hier ganz eindeutig nicht das wunderschöne Bergpanorama bewundern.Die Kinder sind hinter uns zum nächsten Kamm gestiegen und haben enttäuscht festgestellt, dass da nur noch mehr Berg wartet und kein Ausblick nach unten, wie erhofft.

Wolkensuppe

Während wir so rumsitzen und die Lunchpakete inspizieren, kriecht das Nichts immer näher heran! Die Suppe wird immer dichter und man kann vielleicht noch 30 bis 50 m weit sehen! Dafür ist es jetzt gespenstig still, die Vögel sind verstummt und der leichte Wind hat sich gelegt. Nichts rührt sich mehr.Wir satteln die Esel dann tasten wir uns weiter voran. Irgendwo muss gleich der Weidezaun kommen, der im Sommer die Kühe auf der anderen Talseite hält. Als wir 2011 mit Tommi gewandert sind, haben wir auf dem Weg nach Fontecchio eine Herde getroffen. Eigentlich war die weit weg vom Weg, aber Tommi musste ja unbedingt eine Begrüßung schreien. Prompt interessierten sich die Kühe für uns und setzten sich in Bewegung. Da hatte es Tommi ganz plötzlich ziemlich eilig aus der Talsohle und zum Weidezaun zu kommen … Nicht auszudenken, wenn heute Kühe hier oben sind: Die sähe man erst, wenn man direkt davor steht!

Wir waten immer hinein in die gespenstig stille Wolkensuppe, ohne Hoffnung, das die Sonne hier noch irgendeine Chance auf den Sieg hat.Der Weidezaun kommt, ein praktischer Griff vermeidet Stromschläge – eigentlich ist es eh noch zu früh, aber probieren will ich auch nicht, ob da Saft drauf ist; Und man sieht auch kein Vieh – wie auch, in der Suppe – also weiter.Und dann Frage ich ganz unbedarft in die Welt hinein „Steht da ’n Pferd oder was?“ denn es sieht ein bisschen wie ein Pferdehintern mit Schweif aus. Bis es den Kopf dreht, einen Kopf mit langen Hörnern! Es entsteht eine Stille, in der alle starr stehen, taxieren, grübeln … Dann preschen die Kuh und vier weitere ihrer Artgenossen, die wir noch gar nicht wahr genommen hatten, rechts den Hang hinauf davon. *gnnnhhnn* Meine Fresse! Das prickelt!Einmal guckt eine Kuh noch zurück, dann trollt sie sich außer Sicht.

San Erasmo

Die Wolken werden eher dichter, die Sicht noch schlechter. ‚Beruhigend‘ zu wissen, dass wir hinterm nächsten Baum oder Strauch wieder Gehörnte überraschen könnten. Ich singe ein Lied. Und noch eins. Vor allem gucke ich, dass die Kinder nicht weiter als 20 m weg sind. Weiter kann man nämlich beim besten Willen nicht mehr gucken, dann sieht man gerade noch eine Silhouette.Es ist schwer zu sagen, wieviele Hügel noch zwischen uns und San Erasmo liegen, aber der aktuelle, jetzt sehr kahle Anstieg müsste an San Erasmo heraus kommen.Die Kinder haben inzwischen ein neues Spiel gefunden: Kuhfladen-Frischetest. Mit Stöckchen, natürlich.Habt ihr den dunkleren Fleck etwas links im Wolkennebel bemerkt? Richtig! Das ist San Erasmo!Wir machen unsere Pause, die Esel werden abgesattelt. Nur die Decken lassen wir drauf, die Wolke hat sich nämlich entschieden, ein Nieselregen sein zu wollen. Leider finden Rosa und Ambra kaum Gras um die Kapelle herum.Das Wetter geriert sich mit einem Mal sehr unangenehm. Leichter Wind hat wieder eingesetzt, feuchte Kälte zieht in die Klamotten und selbst Kekse helfen nicht weiter. Nach einer halben Stunde geben wir auf. Mit dem Blick in die Ferne wird das nichts, es wird einfach nur ungemütlicher. Also laden wir unseren Kram wieder den Eseln auf und machen uns davon.

Abstieg

Der Weg hinunter ist trotz Nebel leicht zu finden. Er wird aber steil und steinig und wir müssen Rosa und Ambra wieder bremsen, damit sie nicht ins Rennen kommen.Je weiter runter wir ins Tal kommen, desto besser wird die Sicht. Wir entsteigen sozusagen dem Wolkenhimmel.Wir legen kleinere Rasten ein, damit die Esel nach der San-Erasmo-Entäuschung zu ihrem Recht kommen – Und damit wir uns keines Falls verlaufen, wir checken lieber immer zweimal Wegbeschreibung und Tablet-Karte.Die Hänge sind hier nicht ganz so dicht bewachsen, alles grünt und manches blüht auch sehr hübsch.Was auf diesem Abschnitt der Wanderung definitiv geklappt hat: wir haben keine Menschenseele getroffen. Auch wenn der Blick in die Weite die Einsamkeit nicht unterstreichen konnte, die Stille da oben unterhalb des Monte Offerno hat einen schon ein bisschen der Welt entrückt.

Beffi

In Beffi haben wir wieder eine Ferienwohnung – eigentlich ist es ein ganzes Ferienhaus. Es gibt eine kleine Eselweide, da kommen Rosa und Ambra unter. Wir buckeln unser Gepäck mit der Hilfe Giorgios durch den Garten. Ist das nicht der Knaller?! Da unten guckt unser Haus raus.Die Wohnküche gefällt doch mindestens genau so gut.Zwei Schlafzimmer haben wir noch und ein Bad.

Aber erstmal brauchen Rosa und Ambra noch etwas Zuwendung. Die Eselweide ist schon ein bisschen kahl und das Wetter der letzten Tage hat den Rest des Heus verdorben. Wir gehen mit den beiden nochmal auf eine Wiese.Das Wetter sieht immer bedrohlicher aus und nach einer Stunde fängt es dann auch an zu regnen. Wir bringen Rosa und Ambra wieder auf ihre Weide und verkrümeln uns.

Il Cibario

Zeit fürs Abendbrot ist eh ran und da lädt heute das Il Cibario zu Tisch. Zu finden ist das winzige Restaurant im Torre di Beffi.Unser kleiner Abendspaziergang dorthin führt uns an der Chiesa di San Michele Arcangelo vorbei.Hier hat es einen Spielplatz, vor allem aber einen gigantischen Blick ins Aterno-Tal.Noch während sich die Kinder auf dem Spielplatz austoben, ereilt uns ein Anruf: Ob wir denn noch zum Essen kämen? Klar! Ist doch erst 20:00 Uhr, da legt die Küche doch erst los, in Italien? Jaja, sind gleich da.

(swg)